BGH-Entscheidung zur Strafmilderung bei Mord durch Unterlassen
Einführung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 1. Oktober 2024 (Az. 6 StR 230/24) ein Urteil des Landgerichts Rostock wegen Mordes durch Unterlassen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Die Entscheidung befasst sich mit der Frage der Strafmilderung gemäß § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB bei Taten durch Unterlassen und verdeutlicht die Anforderungen an die Begründung einer solchen Milderung.
Sachverhalt:
Die Angeklagte wurde vom Landgericht Rostock wegen Mordes und Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Sie hatte ihre beiden kleinen Kinder schwer vernachlässigt. Ihr einjähriger Sohn verstarb infolge einer Durchfallerkrankung, die aufgrund der mangelnden Versorgung der Angeklagten und unterlassener medizinischer Hilfeleistung zu einer Dehydrierung und letztlich zum Tod führte. Das Landgericht wertete die Tat als Mord aus niedrigen Beweggründen und lehnte eine Strafmilderung nach § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB ab.
Rechtliche Probleme:
Kernpunkt der BGH-Entscheidung ist die Frage, ob das Landgericht die Möglichkeit einer Strafmilderung nach § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB ausreichend geprüft hat. Gemäß dieser Vorschrift kann das Gericht bei Taten durch Unterlassen den Strafrahmen mildern, wenn das Unterlassen im Vergleich zur entsprechenden Begehungstat weniger schwer wiegt.
Entscheidung und Begründung:
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts Rostock in Bezug auf die verhängte lebenslange Freiheitsstrafe auf. Die Begründung des Landgerichts für die Ablehnung der Strafmilderung hielt der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hatte argumentiert, die Angeklagte habe "überhaupt nichts unternommen". Der BGH kritisierte, dass das Landgericht damit das strafbegründende Unterlassen zugleich als Grund für die Versagung der Strafmilderung herangezogen hat. Dies widerspreche der gesetzlichen Wertung des § 13 Abs. 2 StGB. Zudem monierte der BGH, dass das Landgericht die emotional-instabile Persönlichkeitsstörung der Angeklagten, wenngleich diese die Schuldfähigkeit nicht erheblich verminderte, nicht im Rahmen der Gesamtabwägung berücksichtigt hatte.
Auswirkungen:
Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die Anforderungen an die Begründung einer Strafmilderung bei Taten durch Unterlassen. Gerichte müssen alle relevanten Umstände, insbesondere die unterlassensbezogenen Gesichtspunkte, umfassend abwägen und dürfen das strafbegründende Unterlassen nicht zugleich als Grund für die Versagung der Milderung heranziehen. Die Berücksichtigung von psychischen Erkrankungen des Täters im Rahmen der Gesamtabwägung wird ebenfalls betont.
Schlussfolgerung:
Der BGH hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Rostock zurückverwiesen. Das Landgericht muss nun unter Berücksichtigung der Vorgaben des BGH erneut prüfen, ob eine Strafmilderung nach § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB in Betracht kommt. Die Feststellungen zum Sachverhalt bleiben bestehen.
Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.10.2024 - 6 StR 230/24