BGH hebt Totschlagsurteil nach Missbrauch auf

BGH-Urteil zum Totschlag im Kontext von sexuellem Missbrauch und dissoziativer Amnesie

BGH-Urteil zum Totschlag im Kontext von sexuellem Missbrauch und dissoziativer Amnesie

Einführung: Ein kürzlich vom 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) gefälltes Urteil (Az. 5 StR 588/24, 19.12.2024) hebt ein Urteil des Landgerichts Zwickau auf und verweist die Sache zur Neuverhandlung zurück. Der Fall betrifft einen Totschlag, der im Kontext von sexuellem Missbrauch in der Kindheit und einer daraus resultierenden dissoziativen Amnesie begangen wurde. Die Entscheidung des BGH wirft wichtige Fragen zur Beweiswürdigung, Schuldfähigkeit und den Voraussetzungen von Mordmerkmalen auf.

Hintergrund des Falls: Der Angeklagte wurde in seiner Jugend Opfer sexuellen Missbrauchs durch seinen Fußballtrainer. Jahre später, nach einem Unfall, entwickelte er eine dissoziative Amnesie mit Gedächtnisverlust. Bruchstückhafte Erinnerungen und Träume führten ihn zu der Annahme, dass sein ehemaliger Trainer der Täter gewesen sein könnte. Er nahm Kontakt zu dem Trainer auf und traf sich zweimal mit ihm. Beim zweiten Treffen gestand der Trainer den Missbrauch. Daraufhin erlitt der Angeklagte eine Bewusstseinsstörung und tötete den Trainer mit einer Axt.

Rechtliche Probleme: Das Landgericht Zwickau verurteilte den Angeklagten wegen Totschlags und stellte eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit aufgrund eines Affekts fest. Es verneinte Heimtücke und niedrige Beweggründe. Die Staatsanwaltschaft legte Revision ein.

Entscheidung und Begründung des BGH: Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zurück. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich einer möglichen Tatplanung sei lückenhaft. Die einzelnen Indizien, wie Internetrecherchen des Angeklagten zu Themen wie Mord, Selbstjustiz und Anwälten, seien isoliert und nicht in einer Gesamtschau gewürdigt worden. Die Angaben des Angeklagten, er habe die Axt zufällig verwendet, seien nicht ausreichend geprüft worden. Auch die Schuldfähigkeitsbeurteilung sei auf der Annahme einer spontanen Tat basierend, was durch die Indizien einer möglichen Planung in Frage gestellt werde. Der BGH rügte zudem die Ausführungen des Landgerichts zum Ausnutzungsbewusstsein und den niedrigen Beweggründen.

Auswirkungen: Die Entscheidung des BGH unterstreicht die Bedeutung einer lückenlosen Beweiswürdigung, insbesondere bei komplexen Sachverhalten mit möglichen Indizien für eine Tatplanung. Die Beurteilung der Schuldfähigkeit im Zusammenhang mit dissoziativer Amnesie und Affekthandlungen bedarf sorgfältiger Prüfung.

Schlussfolgerung: Der Fall wird nun vor einer anderen Schwurgerichtskammer neu verhandelt werden. Dabei wird das Landgericht die vom BGH gerügten Mängel in der Beweiswürdigung und der Schuldfähigkeitsbeurteilung berücksichtigen müssen. Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die Herausforderungen bei der Beurteilung von Taten, die im Kontext von Traumata und psychischen Erkrankungen begangen werden.

Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2024, Az. 5 StR 588/24

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