BGH-Urteil zur Vergewaltigung in der Ehe: Fehlende Unrechtseinsicht nicht ausreichend begründet
Einleitung: Ein kürzlich ergangenes Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 11.12.2024 (Az. 1 StR 303/24) hebt ein Urteil des Landgerichts Landshut auf, welches einen Angeklagten wegen mehrfacher Vergewaltigung in der Ehe zu einer Freiheitsstrafe verurteilt hatte. Der BGH rügte die Annahme eines vermeidbaren Verbotsirrtums durch das Landgericht. Die Entscheidung verdeutlicht die Anforderungen an die Feststellung der Unrechtseinsicht bei Straftaten im Kontext kultureller Unterschiede.
Sachverhalt:
Der Angeklagte, syrischer Herkunft und seit 2015 in Deutschland lebend, wurde vom Landgericht Landshut wegen mehrfacher Vergewaltigung seiner Ehefrau, ebenfalls syrischer Herkunft, sowie wegen versuchter Vergewaltigung und Nachstellung verurteilt. Das Landgericht stellte fest, dass der Angeklagte seine Ehefrau trotz deren Ablehnung und unter Drohungen zum Geschlechtsverkehr gezwungen hatte. Er warf sie aus der gemeinsamen Wohnung und beharrte trotz eines Gewaltschutzverfahrens auf Kontakt und Rücknahme der Anzeigen.
Rechtliche Probleme:
Das Landgericht ging davon aus, dass der Angeklagte aufgrund seines kulturellen und religiösen Hintergrunds nicht wusste, dass das Erzwingen des Beischlafs durch Drohungen strafbar ist. Es nahm einen vermeidbaren Verbotsirrtum gemäß §§ 17, 49 StGB an und verschob den Strafrahmen zu seinen Gunsten. Die Staatsanwaltschaft legte Revision gegen den Strafausspruch ein.
Entscheidung und Begründung des BGH:
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts im Strafausspruch auf und verwies die Sache zurück. Er kritisierte, dass das Landgericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt und die Feststellungen zur Unrechtseinsicht des Angeklagten nicht ausreichend begründet hatte. Der BGH betonte, dass ein Verbotsirrtum nur vorliegt, wenn dem Täter die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Die bloße Unkenntnis der Strafbarkeit reicht nicht aus. Angesichts des mehrjährigen Aufenthalts des Angeklagten in Deutschland, seiner beruflichen Tätigkeit und seines ehrenamtlichen Engagements sah der BGH keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Fehlen des Unrechtsbewusstseins. Es fehlten konkrete Tatsachen, die die Annahme eines Verbotsirrtums rechtfertigen könnten. Auch die Einlassung des Angeklagten, er habe seine Ehefrau zu nichts gezwungen, spreche gegen einen Verbotsirrtum.
Auswirkungen:
Das Urteil des BGH verdeutlicht, dass kulturelle Unterschiede allein nicht ausreichen, um einen Verbotsirrtum zu begründen. Es stellt hohe Anforderungen an die Feststellung der fehlenden Unrechtseinsicht, insbesondere bei Personen, die sich bereits länger in Deutschland aufhalten und in die Gesellschaft integriert sind. Das Urteil stärkt den Schutz vor Gewalt in der Ehe und betont, dass kulturelle oder religiöse Vorstellungen die Strafbarkeit von Sexualdelikten nicht aufheben.
Schlussfolgerung:
Die Entscheidung des BGH unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Beweiswürdigung bei der Frage des Verbotsirrtums. Im vorliegenden Fall muss das Landgericht nun erneut über die Strafzumessung entscheiden und dabei die Vorgaben des BGH berücksichtigen. Es bleibt abzuwarten, wie das Landgericht die Feststellungen zur Unrechtseinsicht des Angeklagten im weiteren Verfahren würdigen wird.
Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.12.2024, Az. 1 StR 303/24 (Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs).